Nachdem das Bundeskoordinierungstreffen der Juso Hochschulgruppen im Mai das Thema „digitale Welt“ zu komplex fand, als dass ein umfassender Initiativantrag die gesamte Beschlusslage darstellen sollte, begann für unsere HSG ein ehrgeiziges Programm. Für die Sommerschule der HSGen in Springe bereiteten wir das Thema so auf, dass Foren über Punkte diskutieren, eine geeignete Formulierung finden und als Vorschlag ins Plenum bringen um auf dem Winter BKT beschließen zu können.

Damit das auch alles den Wünschen entsprechend klappt bedurfte es einer intensiven Vorbereitung, die heute glücklicherweise nahezu abgeschlossen werden konnte.

Schon im Vornherein betrieben wir eine intensive Recherche nach Quellen, an denen es möglich ist zu diskutieren. Denn eins ist klar, auch wenn unser ursprünglicher Antrag eines der Materialien ist – die Position soll aus einer unbefangen Diskussion entstehen. Nur wer alle Positionen nachvollzieht weiß am Ende warum der Beschluss so richtig ist.

Das umfassende Themenspektrum lässt nichts vermissen. Whistleblowing, Netzneutralität, Notaus, Wahlcomputer und Vorratsdatenspeicherung aber auch zentrale universitäre Fragen wie Open Acces und (LehrerInnen-)Bildung zum Web werden diskutiert. Die Foren werden geleitet durch unsere HSG

Wer das Thema interessant findet und nicht bis zur Sommerschule (12.08.2011 – 17.08.2011) warten kann hier noch einmal der ursprüngliche Antrag (als Diskussionsgrundlage) zum einlesen:

„Generation Digital“

Die Juso Hochschulgruppen fordern zu einem unaufgeregterem Umgang mit dem Internet und Medien auf. Wir stimmen daher den 10 Rechten und Pflichten der Internetgesellschaft, die von der IRCP auf Englisch verfasst wurde zu. Sinngemäß heißt es dort, übersetzt ins Deutsche:
“10 Internet Rechte und Prinzipien
Das Internet offeriert nie da gewesene Chancen für die Realisierung von Menschenrechten und spielt eine immer größer werdende Rolle im täglichen Leben. Daher ist es essenziell, dass alle Beteiligten, sowohl öffentliche als auch private, die Menschenrechte im Internet respektieren und schützen. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass das Internet in seinem Betrieb und in seiner Entwicklung die Menschenrechte weitest möglich wahrt. Um diese Vision eines auf Rechten basierenden Internets wahr werden zu lassen, folgen die 10 grundlegenden Rechte und Prinzipien:
1) Universalität und Gleichheit
Alle Menschen sind frei geboren und gleich in ihrer Würde und ihren Rechten, welche im Internet geachtet, beschützt und erfüllt werden müssen.
2) Rechte und Soziale Gleichheit
Das Internet ist ein Raum zur Beförderung, zum Schutz und zur Erfüllung von Menschenrechten sowie zur Förderung von sozialer Gerechtigkeit. Jeder hat die Pflicht die Menschenrechte der anderen im Internet zu respektieren.
3) Zugang
Jeder hat das gleiche Recht auf Zugang und Benutzung zu einem sicheren und offenen Internet.
4) Meinungsäußerung und Zusammenschluss
Jeder hat das Recht Informationen im Internet frei zu suchen, zu finden und zu versenden, ohne Zensur oder andere Einmischung. Jeder hat das Recht, sich über das Internet frei für soziale, politische, kulturelle oder andere Zwecke zu versammeln.
5) Privatsphäre und Datenschutz
Jeder hat das Recht auf online Privatsphäre. Das schließt Freiheit von Überwachung, Recht auf Verschlüsselung und Recht auf Anonymität ein. Jeder hat das Recht auf Datenschutz, einschließlich der Kontrolle über Sammlung, Speicherung, Verarbeitung, Löschung und Veröffentlichung perösnlicher Daten.
6) Leben, Freiheit und Sicherheit
Das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit muss online respektiert, geschützt und verwirklicht werden. Diese Rechte dürfen nicht eingeschränkt werden oder benutzt werden um andere Rechte im Internet einzuschränken.
7) Vielfalt
Kulturelle und Sprachliche Vielfalt im Internet müssen gefördert werden, Innovation der Technik und der [technischen] Richtlinien sollten gefördert werden um eine Vielfältigkeit der Ausdrucksformen zu erleichtern.
8) Netzneutralität/Gleichheit des Netzes [Network Equality]
Jeder soll universellen und offenen Zugang zu den Inhalten des Internets erhalten, frei von diskriminierender Priorisierung, Filterung oder anderer Datenverkehrseingriffe aus wirtschaftlichen, politischen oder anderen Motiven.
9) Standards und Regulierung
Die Architektur des Internets, der Kommunikationssysteme sowie von Dokumenten and Dateiformaten soll auf offenen Standards basieren, welche vollständige Interoperabilität, die Inklusion und gleiche Chance für alle gewährleisten.
10) Verwaltung [Governance]
Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit müssen die rechtliche und normative Grundlage sein, auf welcher das Internet betrieben und verwaltet wird. Das soll auf transparente Weise und in multilateraler Ausrichtung geschehen, basierend auf den Prinzipien der Offenheit, Partizipation und Verantwortung.“


Folgende Punkte gilt es hierbei deshalb besonders zu beachten:
Das Internet ist keine Rechtsfreie Zone

Die häufig geäußerte Formulierung „das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“ trifft zwar zu, doch wird sie meist in Zusammenhang mit einer falschen Einschätzung des Status Quo angeführt. Im „Internet“ gilt, dem jeweilien Standort des Server entsprechendes Recht. Personen juristischer oder natürlicher Art können für kriminelle Taten im Internet nach geltendem Recht des Wohn- oder Handlungsortes belangt werden. In vielen Bereichen der (hier speziell deutschen) Rechtsprechung wird allerdings noch keine Rücksicht auf neue Möglichkeiten des Internetzeitalters genommen. So entstehen Grauzonen, die es zu beseitigen gilt.

Keine Netzsperren

Netzsperren sind kein adäquates Mittel um Kriminalität (z.B. Kinderpornographie) im Internet zu bekämpfen. Nur die Löschung von Inhalten kann weitere Zugriffe kurzfristig wirkungsvoll verhindern. Das Internet „vergisst“ nicht, daher werden auch in Zukunft nur gezielte Ermittlungen und das Stellen der Verantwortlichen eine dauerhafte Einstellung des Publizierens von kriminellen Inhalten garantieren können. Das Aufbauen einer Zensurinfrastruktur bindet nicht nur personell und monetär überproportional viele Ressourcen, es ist auch der Anfang vom Ende der Rechtsstaatlichkeit, da die Prinzipien der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit untergraben werden würden.

Kein Notaus

Nicht nur die Sperrung von Teilen des Internets, sondern auch die komplette Stilllegung des Zugangs in einer Region stellt eine starke Einschränkung der Freiheit dar. Während der Revolutionen in Ägypten und Lybien wurde versucht die Koordination der Rebellen durch eine Abschaltung des Internets als wichtigstem Kommunikationskanal zu stören, das zeigt wie bedeutsam es für den Austausch über weite Entfernungen hinweg in sehr kurzer Zeit geworden ist. In ihrer Tradition steht die SPD für Freiheit Gleichheit und Solidarität. Deshalb dürfen ähnliche Angriffe auf die Freiheit der Bevölkerung in einer Demokratie zu keinem Zeitpunkt in Erwägung gezogen, beziehungsweise von uns unterstützt werden.

Vorratsdatenspeicherung

Jede Bürgerin und jeder Bürger darf sich frei Bewegen und frei äußern. In der heutigen hochtechnologisierten Gesellschaft gehören Mobiltelefone und deren Nutzung zum Alltag eines Großteils der Bevölkerung. Diesen Grad an gesellschaftlichem Luxus darf man nicht missbrauchen, um eine flächendeckende Überwachung jeder und jedes Einzelnen aufzubauen. Den Bürgerinnen und Bürgern sollte stets ein Mindestmaß an Vertrauen entgegengebracht werden, das Aufbauen von künstlichen, unbegründeten Verdachtsmomenten kommt einer pauschalen Vorverurteilung gleich. Der Staat sollte die Privatssphäre seiner Bürgerinnen und Bürger achten und sie in dem Maße respektieren, das die vollständige Überwachung und das Erstellen von (nahezu) lückenlosen Bewegungsprofilen nicht möglich ist. Auch Daten und Inhalte persönlicher Telefonate, Internettelefonie, instant Messaging und eMails müssen, ähnlich wie im Briefgeheimnis garantiert, privat bleiben.

Dateneinsicht / Datenbrief

Die SPD ist eine Partei, für die der Mensch im Mittelpunkt steht. Verständnis, Transparenz und BürgerInnennähe sind keine Floskeln, sondern erlegen uns unter anderem die Pflicht auf, dass wir, soweit wir können für unkomplizierte Mittel und Wege sorgen zu erfahren, was der Staat über Eine/n weiß. Hierbei gilt es zu diskutieren einen Datenbrief einzuführen oder eine unkomplizierte Anfrage in Bürgerämtern zu ermöglichen.

eGovernment / OpenData / Transparenz

Da die Gesellschaft immer komplexer wird und Entscheidungsstrukturen auch immer verschachtelter und unverständlicher werden muss gerade die Sozialdemokratie von Bezirks und Ortsräten bis zur Weltpolitik Entscheidungen einfach verständlich, transparent und für jeden einsehbar kommunizieren. Daher fordern wir die SPD auf allen Ebenen auf in die Parlamente Anträge einzubringen, die es ermöglichen Strukturen des Internets zu nutzen und Beschlüsse in leicht zu bedienende Portale zu integrieren, in denen man von der Entscheidung vor Ort ohne „tausend Klicks“ erfährt und einsehen kann, welcher Vertreter wie abgestimmt hat. Ein Vorbild der Gestaltung könnte hier das ZDF Parliamentameter sein. Gerade die ansprechende Art der Präsentation macht viel aus und entscheidet über den Erfolg des Projekts.


Keine Wahlcomputer – egal wo
Computer sind Maschinen, die zum Manipulieren und Ändern von Datensätzen erfunden wurden. In jedes System kann eingedrungen werden, egal ob Hard- oder Softwareseitig, im Falle von Wahlcomputern ist beides vergleichsweise einfach. Die Geräte stehen für den Benutzer (oder Angreifer) mehr oder weniger frei zugänglich zur Verfügung und da sie meist auch über einen Internetanschluss verfügen, ist ein Eindringen hierüber praktisch nicht nicht zu unterbinden. Das hat zur Folge, dass dem Grundgesetz entsprechende Wahlen, die frei, gleich und geheim sein sollen nicht gewährleistet werden können. Die SPD ist daher aufgefordert sich klar gegen den Einsatz der Wahlcomputer zu stellen.


Frühe (Schul-)Bildung über Potentiale und Gefahren des Internets
Ein neues Bewusstsein über das Internet, seine Möglichkeiten und Gefahren, muss nicht nur in der Politik Einzug finden, sondern auch bei der Bevölkerung ankommen. Schülerinnen, Schüler und Lehrende müssen einen reflektierten Umgang mit dem (ungefilterten) Internet lernen und offen darüber sprechen. Das heißt, dass Lehrkörper aus dem Bestand fortgebildet werden sollen, die Studierenden des Lehramts sich in ihrem Studium mit dem Thema befassen müssen und für die SchülerInnen das Thema Eingang in die Curricula findet. Für die Gesamtbevölkerung sollten Projekte, die der Aufklärung dienen gefördert werden.
Sowohl der Umgang mit der möglichen Konfrontation mit jugendgefährdenden Inhalten, als auch der Umgang mit persönlichen Daten sollten hierbei Kernthemen sein.

Netzidentität/ Anonymität

Seit Beginn des Internetzeitalters bietet das Internet eine anonyme Plattform, wie sie zuvor in der Geschichte nie zur Verfügung stand. Privatssphäre und Anonymität sind eng miteinander verknüpft und sollten einem jeden Internetnutzer garantiert werden. Forderungen nach einer De-Anonymisierung sind nicht nur abwegig, sondern auch technisch nicht realisierbar.

Technologien/Sicherheit

Eine Flächendeckende Nutzung von modernsten Verschlüsselungstechnologien für alle Angebote das Staates ist anzustreben und stets zu aktualisieren. So soll nicht nur die Sicherheit der Bürgerdaten garantiert werden, sondern auch eine Vorbildrolle für andere Internetangebote eingenommen werden. Das Verständnis für die Sinnhaftigkeit von Verschlüsselung und Zertifikaten kann so gefördert und gefestigt werden.

Whistleblower

Whistleblowing ist kein Geheimnisverrat sondern Aufklärungsarbeit. Ein Whistleblower enthüllt nicht tolerierbare Gefahren, Risiken und Fehlentwicklungen, Korruption, Verstöße gegen internationale Abkommen, die das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft oder die Umwelt bedrohen. In den meisten Fällen leiten selbstlose Motive zum whistleblowing. Das Handeln geschieht nicht aus Eigennutz, sondern aus Sorge um das Wohlergehen der Mitmenschen und den Erhalt der Umwelt. Daher wird beim whistleblowing Alarm geschlagen wenn Missstände am Arbeitsplatz vorhanden sind, wenn die Firma bzw. die Behörde nicht angemessen reagiert, oder in der Politik eklatante nicht zu akzeptierende Zustände herrschen. Der Whistleblower nimmt hierbei die Bedrohung seiner/ ihrer Existenz in Kauf. Das prominenteste Beispiel im letzten Jahr war Wikileaks mit der Enthüllung der Depeschen, beziehungsweise der Menschenrechtsverletzungen, die in Afghanistan von der US Armee begangen wurden. Im Zusammenspiel mit den Herkömmlichen Medien tragen sie zu mehr Gerechtigkeit bei und fördern einen ursozialdemokratischen Grundgedanken, dass kein Mensch „gleicher“ als der andere ist und sich seiner Strafe entziehen kann, weil er in einem fremden Land mordet! Die SPD ist deshalb angehalten sich pro Whistleblower zu positionieren und getreu dem Motto „öffentliche Daten nutzen – private Daten schützen“ übergeordnetes Interesse an zu erkennen und progressiv für eine Verbesserung der Welt zu streiten. In Deutschland müssen daher, wie in den USA und Großbrittanien schon üblich Gesetze eingeführt werden, die Whistleblower unter den selben Schutz wie Medien und Presse stellen (Whistleblower Protection Act)

Datenschutz

Das Recht auf Privatsphäre ist grundlegend für die persönliche Freiheit. Entsprechend muss die Sensibilität der Daten, die im heutigen Informationszeitalter anfallen, geachtet werden. Egal, ob man als Nutzer einer Plattform, einem Händler oder sonstigen Institutionen seine Daten anvertraut, oder ob sie sich beispielsweise im Rahmen des Arbeitsumfeld ansammeln, persönliche Daten dürfen nicht ohne explizite Einwilligung des Betroffenen (sog. „Opt-In“) weitergegeben oder verarbeitet werden. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung muss gestärkt und in einigen Fällen überhaupt erst etabliert werden.


Urheberrecht/“Raubkopierer“

Technisch ist eine Einschränkung des Kopierens von Bits nicht sinnvoll möglich, das Kopieren ansich aber kinderleicht. Diese Möglichkeit gilt es zu nutzen und nicht zu verfolgen. Das recht zur Privatkopie muss gestärkt und der Einfluss von Film-, Musik- und Rechteverwertungslobby eingeschränkt werden. Das Urheberrecht muss an neue Gegebenheiten sinnvoll angepasst werden und den Nutzen von Informationen, Kunst, Software etc. über finanzielle Interessen der entsprechenden Industrien gesetellt werden. Der Respekt gegenüber dem Urheber eines Werkes darf hierbei keinsfalls vergessen werden. Ein fairer Ausgleich muss erhalten bleiben, bedarf aber in der aktuellen Situation keinem Eingreifen. Gegen die Kriminalisierung von teilweise unwissenden Privatleuten zur Abschreckung durch Abmahnungen und Verfahren über überzogene Schadensersatzsummen muss hingegen entschieden vorgegangen werden.

Netzöffentlichkeit

Wahrnemung und Kommunkiation werden durch das Internet geprägt und lassen Interntetnutzerinnen und –nutzer an einem dynamischen Prozess teilhaben, der so noch vor wenigen Jahren undebkbar gewesen wäre. Klicks, Kommentare und andere (teils symbolische) Aktionen im Internet bringen eine neue Dimension von Meinungsbildung und –äußerung zum Vorschein, die es zu berücksichtigen gilt. Medien müssen sich den neuen Gegebenheiten anpassen und die Politik muss dies wahrnemen und in die Diskussion aktiv einsteigen um dem Bürger näher zu kommen.

Netzneutralität

Es darf nicht zur Bildung eines Mehrklassen-Internets kommen. ISPs und Content Provider dürfen nicht aus finanziellem Interesse heraus den Zugang zu bestimmten Inhalten oder durch bestimme Personen erschweren. Die vielfältigen Möglichkeiten für jeden einzelnden, selbst Content produzieren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen zu können müssen gestärkt werden und nicht durch rein ökonomische Einzelinteressen verdrängt werden. Dinge wie das „Lesitungsschutzrecht“ gilt es genau zu prüfen und stets den Nutzen für die Öffentlichkeit mit oberster Priorität zu betrachten.

Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Gesellschaft zurück geben

Wissenschaftliche Arbeit wird zum Großteil mit Steuergeldern finanziert. Forschung an Universitäten, Fachhochschulen und anderne Einrichtungen wird von der Geselschaft finanziert und ihre Ergebnisse sollten der Gesellschaft daher in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Lehrmaterial an Universitäten muss den Studierenden ebenfalls frei zugänglich gemacht werden, es kann nicht hingenommen werden, dass bereits vom Steuertahler finanziertes Lehrmaterial zugunsten des Lehrenden und zum Schaden der Studierenden in Buchform erneut monetarisiert wird.